Die GgG wechselt von X zu Mastodon

Gewichtsdiskriminierung erzeugt Verletzungen. Mit einigen davon kämpfen dicke Menschen ihr Leben lang. Moderieren zu können, hat damit eine wichtige Funktion. Wollen wir diskutieren? Ja. Wollen wir streiten? Auch das, wenn es sein muss, aber konstruktiv. Doch wir wollen noch mehr:

Wir wollen Bildungsarbeit leisten, denn Worte wie “Fat Liberation”, “Diet-Culture” oder “Gewichtsdiskriminierung” sind vielen kein Begriff. Wir wollen dicke Menschen ermutigen, für ihre Rechte zu streiten, von der Menschenwürde bis zum #AGGmitGewicht. Wir wollen Menschen finden, die sich bei uns engagieren wollen, sobald wir Räume haben, die das möglich machen. Wir wollen für Gewichtsdiskriminierung im großen wie im kleinen sensibiliesieren, denn “Du siehst toll aus, hast Du abgenommen?” ist kein Kompliment.

Das erfordert einen Raum, den wir moderieren können oder der moderiert wird, denn Hass und Beleidigungen leisten hierzu keinen Beitrag. Im Rahmen unserer Kampagne #FettPolitisch hat sich ein weiteres Mal gezeigt, dass diese Beiträge den Hauptanteil der Kommentare bei X ausmachen. Wir machen unsere Arbeit zu gern, als dass wir sie an einem Ort machen möchten, der inzwischen so wenig dafür geeignet ist. Wo Funktionen wie “Ausblenden” mal da sind und dann plötzlich wieder nicht, wo die Person an der Spitze Teil des Problems ist und nicht der Lösung.

Wir wechseln daher auf eine Mastodon-Instanz, bei der wir die Betreiber*innen kennen und wissen, dass ihr Herz für soziale Bewegungen schlägt. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen in unserem neuen Dialograum, mit viel Platz für Debatten, aber keinem für Hass:

Mastodon-ID: @gegen_gewichtsdiskriminierung@bewegung.social

Körpergewicht muss als Diskriminierungsmerkmal ausdrücklich im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannt werden

Berlin, 27.07.2023 | Schutzlücken schließen, Merkmalskatalog erweitern, Klagemöglichkeiten für Betroffene vereinfachen: unter diesem Motto hat die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, vor einer Woche ihr Grundlagenpapier zur AGG-Reform vorgelegt.  Keinen Tag später begegnete ihr schon ein wahrer Shitstorm an unsachlicher Kritik: Das Papier sei „gesellschaftlicher Sprengstoff“, sagte Kathrin Helling-Plahr, die rechtspolitische Sprecherin der FDP, und würde „künftig Missbrauch, Falschbeschuldigungen und Erpressungen fördern, statt echten Fällen von Diskriminierung entgegenzuwirken“; ihr Kollege von der CDU/CSU tat es ihr nach, indem er das Papier als „absurd“ bezeichnete und Menschen, die sich gegen Diskriminierungen zu wehren versuchen, als Goldgräber*innen verunglimpfte, die Diskriminierungen nur erfänden, um Profit daraus zu schlagen.

Betrachtet man das Papier aus der Sicht eines Verbands, der mit der Beratung und Unterstützung von Betroffenen befasst ist, ist eine solche Sichtweise kaum nachvollziehbar: Deutschland hat europaweit und – verglichen mit den westlichen Industrieländern – sogar weltweit eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze, mit einem unvergleichlich kurzen Merkmalskatalog, einer lächerlich kurzen Geltendmachungsfrist von nur zwei Monaten (die gewöhnliche Verjährungsfrist für zivilrechtliche Ansprüche beträgt drei Jahre!) und einer auffallend schwachen
Stellung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Vergleich zu anderen nationalen Antidiskriminierungsstellen. Es gibt für Betroffene von Diskriminierung keine Prozessstandschaft, durch die sie von Antidiskriminierungsverbänden unterstützt werden könnten, und kein Verbands-klagerecht.  Die Entschädigungssummen, die das AGG in Aussicht stellt, sind derart gering, dass das Prozessrisiko für Klagende kaum im Verhältnis steht. Dass die Parteien rechts der Mitte neben Verbesserungen in den o.g. Bereichen nun auch noch die geplante Beweislasterleichterung kritisieren, mutet geradezu grotesk an: Sie ist kein absurdes linkes Hirngespinst, sondern von EU-Gleichbehandlungsrichtlinien vorgegeben und somit unausweichlich.

Wenn man an Atamans Papier etwas kritisieren möchte, dann ist das der einseitige Fokus bei der Erweiterung des Merkmalskatalogs: Schutzlücken im Merkmalskatalog nur durch die Einfügung von „Staatsangehörigkeit“, „sozialer Status“ und „familiäre Fürsorgeverantwortung“ schließen zu wollen, wirft Fragen auf: Warum ausgerechnet diese und nicht zusätzlich andere Merkmale, wenn sie einigen Grundkriterien entsprechen: Dass es sich beispielsweise um ein soziale Hierarchisierungen begründendes Merkmal handelt; dass es nachweisbare Auswirkungen auf Lebenschancen hat; dass es mit einem erheblichen Stigma behaftet ist und dass dieses Stigma eine gewisse Geschichte hat; und dass zumindest ein Mindestanteil der Bevölkerung davon betroffen ist.

All dies trifft in besonderem Maße auf das Stigma Hochgewicht zu: Gewichtsdiskriminierung ist nach allen größeren Studien der letzten Jahre mit einem Anteil von 46-51% an den erfassten Diskriminierungserfahrungen eine der häufigsten Diskriminierungsformen in Deutschland. 78% der Bevölkerung haben stigmatisierende Einstellungen gegenüber hochgewichtigen Menschen, sehen Hochgewicht als Eigenverschulden an und verbinden es mit einer Reihe negativer Eigenschaften. Dennoch versuchen sich von Gewichtsdiskriminierung Betroffene bislang nur selten gegen die Diskriminierung zu wehren, da das Stigma oft internalisiert wird und schambehaftet ist. 

Hochgewicht wird nach der bisherigen Rechtsprechung nicht oder nur in seltenen Fällen von den Merkmalen „Behinderung“ oder „chronische Erkrankung“ umfasst. Die allermeisten Hochgewichtigen betrachten sich selbst auch nicht als behindert und würden durch diese erzwungene Selbstzuschreibung quasi entmündigt. Zwar beschreibt die anerkannte Medizinforschung Hochgewicht einhellig als willentlich kaum zu beeinflussen. Allen Hochgewichtigen – unabhängig von ihrem Gewicht und Gesundheitszustand – eine chronische Erkrankung zu attestieren jedoch suggeriert einen vermeintlichen Automatismus und stellt eine unzulässige Pathologisierung hochgewichtiger Körper dar.

Das Merkmal „Körpergewicht“ muss daher – ggf. auch als Regelbeispiel für ein Merkmal „körperliches Erscheinungsbild“ – ausdrücklich im Gesetzestext genannt werden: Dies sendet ein Signal an Betroffene, sorgt für eine Verbreitung des Wissens über die Mechanismen von Gewichtsdiskriminierung in Verwaltung und Gerichten und bildet die Grundlage für eine entsprechende Beratungskompetenz in Antidiskriminierungsberatungsstellen. Hochgewicht trotz seiner engen Nähe zum von Art. 3 III S. 2 GG geschützten Merkmal Behinderung rechtlich vollkommen schutzlos zu lassen, ist nicht nur inkonsequent angesichts der Historie, die das Merkmal hat, der sozialen Hierarchisierungskraft, die es entfaltet, und der gesellschaftlichen Unterdrückung, die hochgewichtige Menschen tagtäglich erfahren.

Wir fordern daher: „Körpergewicht“ als zu schützendes Diskriminierungsmerkmal in § 1 AGG aufnehmen!

Stellungnahme der GgG als PDF
Foto Cover Grundlagenpapier © Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS)

Politik

Körpergewicht muss als Diskriminierungsmerkmal ausdrücklich im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannt werden

Berlin, 27.07.2023 | Schutzlücken schließen, Merkmalskatalog erweitern, Klagemöglichkeiten für Betroffene vereinfachen: unter diesem Motto hat die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, … „Körpergewicht muss als Diskriminierungsmerkmal ausdrücklich im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannt werden“ weiterlesen

Hessen: Bald das erste Bundesland mit einem Schutz vor Gewichtsdiskriminierung?

In Hessen hat DIE LINKE einen Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vorgelegt (Drucksache 20/8077). Das Gesetz soll u.a. vor der Diskriminierung … „Hessen: Bald das erste Bundesland mit einem Schutz vor Gewichtsdiskriminierung?“ weiterlesen

Bundestagswahl: Wer verbessert die Chancen dicker Menschen auf dem Arbeitsmarkt?

Vorurteile, denen sich dicke Menschen auf dem Arbeitsmarkt gegenübersehen. Unabhängig von ihrer tatsächlichen Qualifikation und Leistungsfähigkeit haben sie daher erheblich … „Bundestagswahl: Wer verbessert die Chancen dicker Menschen auf dem Arbeitsmarkt?“ weiterlesen

Hessen: Bald das erste Bundesland mit einem Schutz vor Gewichtsdiskriminierung?

In Hessen hat DIE LINKE einen Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vorgelegt (Drucksache 20/8077). Das Gesetz soll u.a. vor der Diskriminierung anhand des Erscheinungsbildes schützen. Laut Begründung ist hier Gewicht ausdrücklich mit gemeint. Rechtlich wäre das der erste Schutz vor Gewichtsdiskriminierung auf Landesebene, der für jedes Gewicht greift und Gewicht als Teil der menschlichen Vielfalt versteht.

Wir durften eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf abgeben und haben das deutlich begrüßt (und intern die Limokorken knallen lassen). Trotzdem haben wir empfohlen, Gewicht auch im entsprechenden Paragrafen ausdrücklich zu benennen, da Gesetze über den Gerichtssaal hinaus wirksam sind.

Die in den Gesetzen aufgelisteten Gruppen werden oft 1:1 übernommen, wenn es beispielsweise um Diversity und Förderprogramme geht. Beim Begriff Erscheinungsbild wird dann nicht zwingend Gewicht mitgedacht. Das zeigt sich gut an den Illustrationen, die im Bereich Diversity verwendet werden. Wir finden unterschiedliche Hauttöne, Haarstrukturen und auch die Körpergröße variiert, doch der Körperumfang nicht – hohes Gewicht fehlt.

Dieses Argument und ein paar weitere für die Aufnahme von Gewicht in § 2 HADG haben wir heute im Hessischen Landtag vorgetragen. Wir hoffen, dass der Entwurf von der Landesregierung aufgegriffen wird!

Bundestagswahl: Wer verbessert die Chancen dicker Menschen auf dem Arbeitsmarkt?

Vorurteile, denen sich dicke Menschen auf dem Arbeitsmarkt gegenübersehen. Unabhängig von ihrer tatsächlichen Qualifikation und Leistungsfähigkeit haben sie daher erheblich schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und im Berufsleben als dünne Menschen. Sie verdienen sogar schlechter (Weight-Pay-Gap). Wir haben die Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl gefragt, was sie dagegen tun werden.

Das Ergebnis ist ernüchternd. Gewicht ist keine durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützte Diskriminierungsdimension. Der Weg über eine der enthaltenen Diskriminierungskategorien wie Behinderung war mehrfach vor Gericht nicht erfolgreich, da hierfür verschiedene Bedingungen erfüllt sein müssen, die bei höherem Gewicht nicht zwangsweise gegeben sind. Die Klagen sind daher gescheitert. Trotzdem verweisen die Parteien vielfach auf dieses Gesetz. Nur eine Partei ist sich der Schutzlücke bewusst. Wir werden daher weiterhin dafür streiten, dass Gewicht in § 1 AGG aufgenommen wird, und auf den fehlenden Schutz vor Gewichtsdiskriminierung hinweisen.

Gesundheit

Bodyshaming? Nicht mit uns!

Was ist Bodyshaming? Wo beginnt Gewichtsdiskriminierung, welche Auswirkungen hat sie? Am Internationalen Frauentag wollen wir dazu entlang von Fällen & … „Bodyshaming? Nicht mit uns!“ weiterlesen

Bundestagswahl: Was tun die Parteien für die Gesundheit dicker Menschen?

Es sind die letzten Tage vor der Bundestagswahl. Auch dies Mal haben wir den Parteien Fragen zum Thema Gewichtsdiskriminierung gestellt, … „Bundestagswahl: Was tun die Parteien für die Gesundheit dicker Menschen?“ weiterlesen

Ist hohes Gewicht ein Risikofaktor innerhalb der Pandemie?

Zu diesem Thema hatten wir Anfang Mai mit unserem Beiratsmitglied Dr. Friedrich Schorb gesprochen. Jetzt wurde das Thema nochmals von … „Ist hohes Gewicht ein Risikofaktor innerhalb der Pandemie?“ weiterlesen

Bodyshaming? Nicht mit uns!

Was ist Bodyshaming? Wo beginnt Gewichtsdiskriminierung, welche Auswirkungen hat sie? Am Internationalen Frauentag wollen wir dazu entlang von Fällen & Stimmen aus unserer Arbeit ins Gespräch kommen. Die Online-Veranstaltung ist für alle offen und für Einsteiger*innen geeignet.

Referentin: Natalie Rosenke, Vorsitzende der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung
Moderation: Petra David, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bad Bentheim

Mittwoch, den 8. März
16:00 bis 17:15 Uhr

Um Anmeldung unter gleichstellung@stadt-badbentheim.de wird gebeten. Den Link zur Veranstaltung erhaltet Ihr kurz davor per E-Mail.

Es handelt sich um eine Veranstaltung der Gleichstellungsbeauftragten in Kooperation mit der Stadt Bad Bentheim, dem Unabhängigen Jugendhaus Bad Bentheim und dem Treff 10.

Bundestagswahl: Was tun die Parteien für die Gesundheit dicker Menschen?

Es sind die letzten Tage vor der Bundestagswahl. Auch dies Mal haben wir den Parteien Fragen zum Thema Gewichtsdiskriminierung gestellt, darunter die Frage, wie sie eine diskriminierungsfreie gesundheitliche Versorgung dicker Menschen sicherstellen wollen.

Leider zeigen die Antworten einiger Parteien auf, wie wenig sie für das Thema sensibilisiert sind. Sie sprechen sich zwar gegen Diskriminierung aus, sehen den dicken Körper aber als Eigenverschulden und Zeichen mangelnder Ernährungsbildung. Dick und gesund sind für sie eine unvereinbare Kombination und die Herstellung des dünnen Körpers die gesundheitliche Maßnahme mit oberster Priorität. Aufklärung ist und bleibt ein wichtiger Baustein unserer Arbeit.