Es war ein Mal… So möchte man fast beginnen, denn die Fat Shaming Week geht auf den englischsprachigen Blog Return Of Kings zurück, der am 07.10.2013 erstmalig seine Leser auf Twitter dazu aufforderte, dicke Menschen zu demütigen. Als Mittel der Wahl wurden hierfür Witze, Geschichten und Kommentare vorgeschlagen.
Nun muss man dazu sagen, dass die Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter meist nicht so anonym sind wie zum Beispiel Forenmitglieder oder Kommentatoren auf YouTube. Unter ihren Lesern finden sich Freunde, Familienmitglieder und manchmal Twitterer, die sie bereits persönlich auf einem Treffen kennengelernt haben. Man sollte also meinen, dass ein solcher Aufruf nicht Beleidigungen und Vorurteile des selben Kalibers zu Tage fördert wie sie im Schutz vollkommener Anonymität oft zu lesen sind, doch was sich unter dem Hashtag #FatShaming Week bei Twitter findet, lässt in Bezug auf Menschenverachtung und verbale Gewalt nicht mal ein Feigenblatt an Zurückhaltung erkennen.
“Echte Freunde lassen ihre Freunde keine fetten Chicks ficken.” fasst es ScottKcco77 für sich zusammen, während BunDisapproving mit dem “Tipp für Halloween: Ein Kürbis-Kostüm passt Dir bestimmt am besten.” seine Leser auf die Feiertage einstimmt.
In solch geistigen Niederungen angekommen, ist natürlich eine Anspielung auf die Zeit des Nationalsozialismus unverzichtbar, den mgtowed gern beisteuert: “Lagerfeld wurde dafür kritisiert, dass er Adele ein bisschen dick nannte, dabei ist das etwa so als würde man vom Zweiten Weltkrieg sagen, dass er nur ein kleines Missverständnis war.”
Lycurgan geht sogar soweit, dass er als Lösung für “Unverbesserliche” den Selbstmord vorschlägt: “Wenn Euch das Abnehmen zu schwer fällt, könnt Ihr ja immer noch ‘ne Kugel schlucken.”
Der Initiator der Fat Shaming Week stellt indessen klar, dass mit der Aktion hehre Ziele verfolgt werden – das könnte einem Leser bei dieser Lektüre tatsächlich entgehen.
“Wir bei Return Of Kings haben begriffen, warum Frauen Gewichts-Mobbing ablehnen: weil es funktioniert. Jemanden für sein faules und träges Verhalten zu hänseln ist der beste Weg ihn dazu zu motivieren sich zu ändern und damit eine für uns angenehmere Erscheinung zu werden. Wenn eine fette Frau eine Bar betritt und denkt, sie wäre ein guter Fang, ihr aber eine Reihe von Männern “deutscher Panzer!” nachruft, denken Sie wirklich, dass die sich am nächsten Tag bei ihrem üblichen Torten- und Eiscremefressgelage wohlfühlt?”
Fatshamingweek, offenbar ein assoziierter Ritter der Tafelrunde von Return Of Kings, will sich denn auch als Retter verstanden wissen: “Ihr könnt uns ruhig Schlägertypen nennen, aber ich nenne das Liebe mit schlagenden Argumenten. So in der Art ‘Angst macht dünn’ für Fette. Das Leben ist kurz, wirf es nicht weg.”
Die Helden in dieser verbalen Schlacht um die Würde dicker Menschen sind selbstredend andere, Twitterinnen wie Heinousdealings oder Femme_esq, die den Vorurteilen wissenschaftliche Fakten entgegenstellen:
“Ein hohes Gewicht kann gemäß einer der größten Studien, die jemals in diesem Bereich durchgeführt wurde, durchaus gesund in Bezug auf den Stoffwechsel und fit bedeuten. (#HAES http://buff.ly/1ajqm3s)” Mit HAES verweist sie dabei auf die Bewegung Health at every Size, die auf Linda Bacon zurückgeht.
“Diäten bringen nichts, dicke Mensch essen insgesamt gesehen nicht mehr und die Stigmatisierung eines hohen Gewichts schadet sogar der Gesundheit. (http://www.nature.com/nm/journal/v10/n6/abs/nm0604-563.html)”
Mit den fatalen Effekten von Gewichts-Mobbing setzt sich auch der YouTube Star MrRepzion in seinem Video #FatShamingWeek & Suicide auseinander.
Und die Sängerin Meghan Tonjes stell in ihrer Videobotschaft #FatShamingWeek (Frequently Asked Tonjes) klar: “Nicht Gutes, nichts von Bedeutung, was ich je getan habe, ist je durch Angst oder Hass entstanden.”
Das fast wohl die Absurdität der Rechtfertigung für die Fat Shaming Week am besten zusammen. Sie ist nichts anderes als der geistig verquere Versuch die Lust an der Qual anderer Menschen zu verherrlichen.
Hinweis: Allen Links zur Fat Shaming Week wurde ein “nofollow” für Suchmaschinen hinzugefügt, damit Return Of Kings möglichst wenig von der Nennung in diesem Artikel profitiert.
Zum Inhalt springen
