Rund und gesund

Die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung steht für das Prinzip “Rund und gesund” (Health at Every Size – HAES). Die Grundlagen dieses Prinzips sind:

  • Bessere Gesundheit und Wohlbefinden statt Abnehmen oder ein bestimmtes “Idealgewicht”.
  • Selbstakzeptanz und Anerkennung der Unterschiedlichkeit von Körpern, die es in ganz verschiedenen Formen und Kleidergrößen gibt, statt Idealgewicht um jeden Preis.
  • Freude an gutem Essen auf der Basis von Hunger- und Sättigungsgefühl statt von außen herangetragener Ernährungspläne oder Diäten.
  • Freude an Bewegung, Förderung jeder körperlichen Aktivität statt vorgeschriebene Fitnesspläne.

Von Karin Kratina. Zuerst veröffentlicht als “Tenets of the Nondiet Approach” in: Kratina, Hayes und King, Moving Away from Diets: Healing Eating Problems and Exercise Resistance. 1996.
 

Gesunde Ernährung ohne Diät


Diäten – und damit ist jede Form von willentlich herbeigeführter Kalorienreduktion gemeint – führen in 95 % der Fälle langfristig nicht zu einer Gewichtsabnahme, sondern im Gegenteil zu einer Zunahme*. Der Jojo-Effekt, der – als physiologische Panikreaktion unseres Körpers – fast unvermeidlich zuschlägt, ist aber leider nicht nur ärgerlich, sondern gleichzeitig für eine ganze Reihe von Erkrankungsrisiken verantwortlich, die in keinem Verhältnis stehen zu dem gesundheitlichen oder ästhetischen Vorteil, den man sich von einer Gewichtsabnahme versprechen mag. Neuere validierte Studien weisen sogar in die Richtung, dass der Jojo-Effekt für die gesundheitlichen Folgen, die man im allgemeinen dem Übergewicht zuschreibt, zum größten Teil verantwortlich ist. Doch sogar der geringe Teil derer, die dauerhaft erfolgreich abnehmen (etwa 5 % aller Diäthaltenden), haben hinterher nicht etwa ein geringeres, sondern ein höheres Sterblichkeitsrisiko**. Wenn Sie also dick sind, keine Beschwerden haben, die eine Gewichtsabnahme unerlässlich machen, und Ihnen Ihre Gesundheit am Herzen liegt, sollten Sie möglichst nicht nach Schlankheit streben, sondern nach Gesundheit und Fitness.
Besonders, wenn Sie schon einige Diäten hinter sich haben, ist es besser, nicht eine weitere zu beginnen, sondern zu lernen, gesünder und genussvoller zu essen. Gerade für Menschen, die noch die körperlichen und emotionalen Päckchen aus den Jahren des Diäthaltens mit sich herumtragen, ist es sinnvoller, sich die Erlaubnis zu geben zu essen, als sich Einschränkungen aufzuerlegen. So sind die meisten unserer “Regeln” Vorschläge, was Sie essen sollten, und keine Verbote:

  1. Achten Sie auf abwechslungsreiche Kost. Es ist wichtig und viel genussvoller, Ihre Nahrung zu variieren. Es gibt so viele köstliche Nahrungsmittel auf der Welt. Beschränken Sie sich nicht auf nur einige davon.
  2. Achten Sie darauf, möglichst naturbelassene Kost zu essen. Seien Sie zurückhaltend bei Fertiggerichten und allem anderen, was Sie schon fertig zubereitet kaufen können. Fertigkost und industriell verarbeiteten Lebensmitteln sind eine Menge Stoffe zugesetzt, die Ihr angeborenes Essverhalten stören können. Übertreiben Sie aber nicht: Kochen Sie Gemüse, das roh schlecht verträglich ist, und seien Sie vorsichtig mit rohen Vollkornbreis etc.
  3. Lernen Sie kochen! Dadurch vermeiden Sie viele der gesundheitlichen Probleme, die Fertig- und Convenienceprodukte mit sich bringen. Experimentieren Sie und lernen Sie, die vielen aufregenden Geschmäcker, die es auf der Welt gibt, zu kombinieren und zu genießen.
  4. Nehmen Sie eine Mischung aus Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten zu sich. Viele Leute essen hauptsächlich Kohlenhydrate und benötigen nun mehr Proteine zum Ausgleich. Andere essen zu viele Proteine und benötigen mehr Kohlenhydrate. Fett in angemessener Menge ist ein wichtiger Nährstoff und sorgt für das Befriedigungsgefühl beim Essen. Fettreduzierte Nahrungsmittel können Ihre Gesundheit schädigen; lassen Sie von allem die Finger, das Ihnen Schlankheit verspricht.
  5. Essen Sie Gemüse. Der menschliche Körper ist darauf ausgerichtet, einen großen Anteil seiner Nährstoffe aus Gemüse zu erhalten. Ideal sind 5 Portionen am Tag, aber essen Sie, soviel Sie schaffen.
  6. Essen Sie Früchte. Frisch, eingefroren, eingemacht; wie auch immer. Aber zählen Sie nicht die Früchte in Marmeladen oder Müsliriegeln mit. Früchte sind köstlich, machen glücklich und sind für unseren Nährstoffbedarf essenziell. Sie helfen dabei, die süße Lust zu stillen.
  7. Essen Sie Bohnen. Bohnen haben einen hohen Gehalt an Proteinen und Ballaststoffen und sind gespickt mit Nährstoffen. Außerdem schmecken sie köstlich.
  8. Essen Sie Fisch. Von allen Tierproteinquellen hat Fisch die ausgewogenste Zusammensetzung an Nährstoffen. Er enthält z.B. das sehr gesunde Fischöl. Wenn Sie nicht gerne kochen, essen Sie eingemachten Lachs, Thunfisch und Sardinen.
  9. Essen Sie – wenn Sie sie vertragen! – Vollkornprodukte. Volles Korn enthält wichtige Nährstoffe, die weißes Mehl nicht hat. Versuchen Sie, zwei Portionen Vollkornprodukte am Tag zu essen und sorgen Sie sich dann nicht, ob der Rest Ihrer Kohlenhydrate vollwertig oder raffiniert ist.
  10. Essen Sie mehr ungesättigte Fette und weniger gesättigte. Nahrungsmittel, mit vielen ungesättigten Fetten sind: Nüsse, Avocados, Oliven, Leinöl und Olivenöl. Vermeiden Sie Butter nicht ganz, aber probieren Sie z.B. Leinöl auf gebackenen Kartoffeln.
  11. Wenn Sie unter Bluthochdruck leider, essen Sie weniger Salz. Dies ist schwer, da Fertigprodukte, Fast Food, Käse und Kantinengerichte sehr viel Natrium enthalten. Versuchen Sie Produkte mit wenig Natriumgehalt zu kaufen und trainieren Sie Ihre Geschmacksnerven, um weniger Salz zu benötigen. Wenn Sie nicht unter Bluthochdruck leiden, würzen Sie so, wie Sie gerne möchten. Es gibt keinen wissenschaftlich erwiesenen Zusammenhang zwischen Salzkonsum und dem Entstehen von Bluthochdruck.
  12. Versuchen Sie, Ihren Zuckerkonsum etwas zu reduzieren. Das kann schwierig sein, da Süßes zum Symbol für alles geworden ist, was uns in Diäten verboten wird. Wenn es gar nicht geht, zwingen Sie sich nicht und haben Sie kein schlechtes Gewissen. Versuchen Sie aber z.B. einmal, das Geld, das Sie für Süßigkeiten ausgegeben hätten, dafür einzusetzen, sich mit den feinsten und köstlichsten Früchten zu verwöhnen.
  13. Trinken Sie viel, besonders, wenn es heiß ist. Viel zu trinken ist wichtig für Ihre Gesundheit und kann viele Beschwerden, z.B. Bandscheibenprobleme, lindern.
  14. Essen Sie langsam und genussvoll und achten Sie bewusst auf den Geschmack dessen, was Sie gerade im Mund haben. Das schult Ihr natürliches Essverhalten.
  15. Vor allem: Achten Sie auf die Signale Ihres Körpers. Versuchen Sie nicht zwanghaft, sich bestimmte Nahrungsmittel vorzuenthalten. Ihr Körper weiß, was er braucht, und wenn Sie langfristig konsequent auf ihn hören, regelt sich Ihr Essverhalten ganz von allein.

Füllen Sie Ihren Teller mit gutem, nahrhaftem Essen und denken Sie daran: Es ist wichtig, auch für den Genuss zu essen.
 
* Für eine ausführliche Analyse dieses Themas und zahlreiche Nachweise siehe Pollmer, U. (2005), Esst endlich normal! Wie die Schlankheitsdiktatur die Dünnen dick und die Dicken krank macht. München. 205 ff.
** Siehe u.a. Kennedy, Linn: The importance of body mass index and weight-change in patients with coronary artery disease, Mai 2006.

Wie Sie Bewegung in Ihr Leben einbauen

Gründe für Sportresistenz
  • Sporteinrichtungen sind sowohl von ihrer Ausstattung und von der Einstellung her nicht auf Dicke vorbereitet (Geräte sind z.B. nicht für ein bestimmtes Gewicht zugelassen, Dicke werden in Sportkursen emotional unter Druck gesetzt etc.)
  • Probleme, Sportbekleidung in großen Größen zu finden
  • Mangel an Freizeit
  • Mangel an finanziellen Ressourcen
  • Die Vorteile von Sport sind zu abstrakt
  • Furcht vor Spott, Angst davor, beobachtet zu werden
  • Mangel an Selbstvertrauen
  • Schwierigkeiten dabei, Übungen auszuführen, die für dünnere Menschen entwickelt wurden
  • Irreführende und kontraproduktive Verbindung mit Gewichtsreduktion
  • Erinnerungen an fehlgeschlagene Abnehmversuche
  • Fitnessstudios zwingen Gewichtsreduktion auf
  • Die Abnehmpropaganda konzentriert sich auf Abnehmprogramme, nicht auf Bewegungsförderung
  • Das Scheiß-egal-Syndrom: „Solange ich keine Diät mache, warum sollte ich mir die Mühe machen, mich zu bewegen?“
  • Unrealistische Erwartungen
Vorteile von Bewegung

 
Langfristige, abstrakte Vorteile
Verbesserung des Blutdrucks, des Blutzuckerspiegels, der Cholesterinwerte, des Kreislaufs, des Herzens usw.
Kurzfristige Vorteile, die man fühlen kann

  • Bessere Beweglichkeit und Flexibilität
  • Verbesserung der Stimmung, Verminderung von Depressionen
  • Mehr Energie und Vitalität
  • Bessere Atmung
  • Weniger chronische Schmerzen, einschließlich Gelenkschmerzen
  • Rückgang von Hautproblemen
  • Bessere Durchblutung verkrampfter oder schmerzender Muskeln
  • Schönere Haut, besserer Teint
Wie man Bewegungsresistenz überwinden kann

Nehmen Sie Gewicht aus der Gleichung heraus. Bewegen Sie sich für Ihre Gesundheit, nicht zum Abnehmen. Bewegen Sie sich, weil Sie sich dadurch gut fühlen.
Hier sind zwei Ansätze; benutzen Sie den, der bei Ihnen besser funktioniert:

  1. Finden Sie eine Form körperlicher Aktivität, die sich gut anfühlt und die Ihnen Spaß macht.
    Oder:
  2. Machen Sie daraus eine Alltagsroutine, vergleichbar mit Zähneputzen

Schätzen Sie Ihre persönlichen Bedürfnisse, Fähigkeiten und Vorlieben ein und nutzen Sie Techniken, die Ihnen helfen. Manche Menschen tanzen gerne allein, andere lieber mit Partner, wieder andere gerne in einer Gruppe. Manche Menschen brauchen Bewegung am Morgen, und andere tun es lieber nachmittags. Finden Sie Ihren eigenen Weg.
 

Gemeinschaft

Walken, schwimmen, tanzen Sie oder machen Sie Übungen mit einem Partner oder in einer Gruppe, wenn sich das für Sie richtig anfühlt.

Finden Sie einen nützlichen Grund für die Aktivität

Spazieren Sie zum Supermarkt, führen Sie Ihren Hund aus oder spielen Sie mit Ihrem Kind fangen.

Gehen Sie in einen Kurs

Suchen Sie sich eine dickenfreundliche Einrichtung. Lassen Sie sich keine Beleidigungen gefallen.

Benutzen Sie Geräte

Sie können sich am Anfang von einem dickenfreundlichen Trainer beraten lassen.

Nutzen Sie Trainingsvideos

Es gibt (leider hauptsächlich im englischen Sprachraum) eine ganze Menge guter Fitnessvideos für dickere Menschen

Abwechslung

Bauen Sie Abwechslung in Ihr Training ein, benutzen Sie verschiedene Videos, hören Sie beim Training verschiedene Musik

Geeignete Sportarten

Gehen (Einkaufszentren, Straßen, Parks, Wälder); Schwimmen (Wasser-Aerobic, Freestyle, Bahnen schwimmen, Wasser-Walking); Tanzen (Kurse, Diskos oder zu Hause); Fahrradfahren (normales Fahrrad, Liegerad); Training an Geräten im Fitnessstudio (mit oder ohne Hilfe eines Trainers); Aerobic-Kurse mit niedrigem Impact, Übungen zu Hause mit oder ohne Video; Yoga (Kurse, Videos oder Übungen zu Hause); Heimgeräte (Hometrainer, Liege- oder Handfahrräder, Laufband, Deuser-Band, usw.); alle möglichen anderen Sportarten.